Rede zum Partizipapionsindex

Unter TOP 12 der ASA Sitzung, welcher auf die gesellschaftlichen Teilhabechancen von Gelsenkirchener Kindern eingeht, erklärt Bettina Peipe, dass sich auch nach der Neuauflage des Partizipationsindex nichts zum besseren verändert hat - ganz im Gegenteil. Unten aufgeführt die komplette Rede

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,

so sehr wir die Arbeit der Mitarbeiter hier vor Ort schätzen, die sich mit den direkten Folgen einer verfehlten Politik beschäftigen, so sehr müssen wir feststellen, dass sich an der grundsätzlichen Situation - seit wir hier im Rat sind - nichts geändert hat.

 

 Im Gegenteil, die Stadt muss sich zwangsläufig darauf kaprizieren, sich um die Abmilderung der schlimmsten Folgen einer verfehlten Sozialpolitik zu bemühen.

 

An der Tatsache, dass es in einem reichen Land wie Deutschland überhaupt Armut gibt und die Lebens- und Bildungschancen von Kindern immer noch vom sozialen Status abhängen, nimmt keiner mehr Anstoß. Alle Regierungskoalitionen im Bund haben nichts dazu beigetragen, dass sich strukturell etwas ändert. 

 

Was den Kommunen bleibt, ist ein Herumdoktern an den Symptomen.

 

Die mangelnde Umverteilung wird nicht mehr in Frage gestellt. Obszöner Reichtum steht einer immer größeren Gruppe von Armen gegenüber.

Ausufernde Rüstungsausgaben, die die Spielräume noch weiter einschränken werden, werden verstärkt forciert.  In der Nato wird das 5% Ziel angepeilt. Das würde für Deutschland bedeuten 225 Milliarden für Aufrüstung jährlich. Sie können sich an den Fingern abzählen, was dann noch an sozialer Infrastruktur hier in Gelsenkirchen übrig bleiben wird.

 

Der Index zeigt an, wo die schlimmste Armut herrscht und weiterhin ist die Situation südlich des Kanals deutlich stärker von mangelnden Teilhabechancen geprägt. Alles nicht neu!

 

Schon 2015 gab es eine Aussage einer unserer Bundestagsabgeordneten, die beide Zentren besucht hatte. Das sei „als ob man sich auf einem anderen Planeten befände.“ Also waren schon vor zehn Jahren die Unterschiede katastrophal.

 

Die Ergebnisse sind teilweise dramatisch. Immer mehr Vorschulkinder haben mangelnde Deutschkenntnisse, die Zahl der in Armut lebenden Kinder hat sich vergrößert.

Auf Seite 6 verweist der Bericht auf die Verantwortung der Kommune und der Stadtgesellschaft, die Kinder und Jugendlichen zu unterstützen. Aber wo bleibt die Verantwortung des Bundes und des Landes? Dieser Index kann sicher sehr nützlich sein, um Förderanträge zu stellen, die übliche Elendsverwaltung zu betreiben, aber an der grundsätzlichen Situation ändert er nichts.

 

Der Index verweist an mehreren Stellen auf den Zusammenhang von Familieneinkommen und Bildungserfolg, aber warum gibt es diesen Zusammenhang? Und warum  war er zu anderen Zeiten deutlich geringer in Deutschland?

Wir als Fraktion Die Linke konstatieren ganz klar, dass es offensichtlich nicht an Geld mangelt. Es mangelt am Willen, es für die richtigen Zwecke auszugeben. Für Aufrüstung werden Schulden von fast einer Billion in Kauf genommen. Aber für die Beseitigung von Kinderarmut fehlen die Ressourcen. Das sind klare politische Entscheidungen. Die Fehlbesetzung von Ministerämtern, die Rechtsentwicklung in den Parteien und ein Parlament, in dem Arbeiter kaum noch vorkommen, spielen bei solchen Entscheidungen eine Rolle. Das fällt nicht vom Himmel.

 

Von internationalen Organisationen wird schon seit langem angemahnt, dass die soziale Durchlässigkeit sich in Deutschland immer mehr verschlechtert. Kinder werden nach dem vierten Schuljahr sortiert und damit ist ein Lebensweg vorprogrammiert und auch, wenn sich - laut Index - häufiger als früher eingeschränkte Gymnasialempfehlungen finden, ändert es nichts daran, dass wir als Staat Kinder immer häufiger zurücklassen, entgegen tränenreich gehaltener Sonntagsreden.

 

Fehlende Kitaplätze tun ein Übriges, um die Situation zu verschlechtern, denn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine Grundvoraussetzung und für Kinder, die eine Kita besuchen sollen, müssen ausreichend Plätze her.

 

Der Bericht konstatiert richtigerweise, dass dort, wo die meisten Kinder leben, sich die geringsten Teilhabechancen zeigen. Das ist dramatisch, denn Bildungsbiographien, die im Niedriglohnsektor enden oder im Transferleistungssektor schaden der Gesamtgesellschaft und der Stadt.

 

Der Anteil der Kinder mit unzureichenden Deutschkenntnisse liegt bei 39 % und steigt pro Jahr um 2 %.  In Schalke  - Nord sind es schon 63 %. Solche dramatischen Entwicklungen können nicht durch die Gemeinden und Ehrenamtler aufgefangen werden, - hier braucht es ein gesamtstaatliches Konzept, das mit genügend Mitteln ausgestattet werden muss.

 

Der Zusammenhang zwischen frühen Armutserfahrungen und den später schlechteren Teilhabechancen muss durchbrochen werden. Es darf für Kinder keine „Armutserfahrungen“ geben!

 

Deutlich wird auch ein immer häufiger festzustellender Zusammenhang zwischen Transferleistungsbezug und im Haushalt befindlichen Kindern.

Die Tatsache, dass Kinder in Armut auch häufiger von Adipositas und Karies betroffen sind, ist alarmierend, - aber eben auch nicht neu! Das hören wir seit wir im Rat sind, seit 2014!

 

Auch das Thema ethnische Segregation wird im Bericht thematisiert. Das alles wirkt sich im Zweifel negativ auf Integration aus.

 

Dieser Index ist sicherlich sehr hilfreich für die vor Ort Tätigen, für die kommunale Politik und die Verwaltung, wenn es um  die Verteilung der ohnehin knappen Mittel geht.

 

Was aber dringender als jemals nötig wäre, wäre ein sofortiges Umsteuern im Bereich Sozialpolitik im Bund.  Angesichts der zu erwartenden und bereits getroffenen desaströsen Entscheidungen ist damit nicht zu rechnen.

 

Die Folgen werden wir alle hier in Gelsenkirchen zu tragen haben. Die Kinder in Gelsenkirchen, besonders die in Armut lebenden Kinder, gehen düsteren Zeiten entgegen.

 

Die kommenden Wahlergebnisse werden ihnen die Quittung ihrer verfehlten Politik präsentieren.

 

Danke.

 

Bettina Angela Peipe

Fraktion Die Linke