Rede von Bettina Peipe in der Ratssitzung vom 15.02.24

Thema: ZF

Frau Oberbürgermeisterin, meine Damen und Herren,

Der Fall ZF spricht eine deutliche Sprache. Wie schon so oft in den letzten Jahren zeigt sich auch hier wieder einmal, dass Beschäftigte zu einer reinen Verfügungsmasse degradiert werden.

Uns als Fraktion macht es sprachlos, dass Firmen in Deutschland faktisch tun und lassen können, was sie wollen, ohne dass die Mitarbeiter, die den Gewinn erarbeiten, irgendwelche ernstzunehmenden Mitspracherechte hätten, weder, wenn es um Werksschließungen geht, noch um die Firmenstrategie. Die Kapitalseite entscheidet allein und, wenn es ernst wird, zahlen die Mitarbeiter die Zeche.

Großkonzerne können Standorte verlagern und dichtmachen, wie es ihnen gefällt. Wir haben es immer noch mit dem berühmt berüchtigten Karawanenkapitalismus zu tun. In den letzten 20 -30 Jahren haben solche Konzerne entweder Subventionen schamlos abgegriffen oder die Arbeitnehmerseite wurde rücksichtslos mit Betriebsverlagerungen erpresst.

Die Vereinbarungen bei ZF bedeuteten erhebliche Einschnitte für die Beschäftigten, versprachen aber auf der anderen Seite eine nachhaltige Sicherung des Standortes und der verbliebenen Arbeitsplätze.

Jetzt zeigt sich wieder einmal, man presst die Beschäftigten und die Betriebe solange aus, bis auf dieser Seite nichts mehr rauszuholen ist. Diese Geschäftspraktiken müssen endlich unterbunden werden. Ich sehe allerdings weder in der EU, noch in Deutschland Gesetzesinitiativen dazu. Was es bräuchte wäre eine Ausweitung der Mitbestimmung. Was die Beschäftigten jedoch bekommen anstatt Wirtschaftsdemokratie sind warme Worte und hohle Solidaritätserklärungen.

Alle Regierungsparteien, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten in Regierungsverantwortung waren, haben nichts dafür getan, solche ominösen Geschäftspraktiken zu verbieten.

Kommen aber solche Hiobsbotschaften, wie jetzt hier von ZF, beklagt man medienwirksam das Schicksal der Beschäftigten und gibt sich solidarisch. Dazu gehört ein gerüttelt Maß an Heuchelei.

Wir erwarten von ZF, schlicht einfach und ergreifend, dass sie sich an die gemachten Zusagen halten! Pacta sunt servanda!- hab ich mal gelernt.

Momentan sehen wir nur das kurzfristige Profitmaximierung weiter im Mittelpunkt der Überlegungen der Firmenleitung steht. 2022 hat der Konzern 43 Milliarden verdient und das in einer angeblichen Krise. Von sozialer Verantwortung für Gelsenkirchen kann ich hier nichts erkennen. Das verwundert auch nicht, da offenbar Mitglieder aus dem Vorstand zuvor bei Beraterfirmen wie Mc Kinsey ihr Auskommen hatten. Da bringt man gleich die richtige Geisteshaltung mit.

Was wir nach Rücksprache mit dem Betriebsrat feststellen müssen ist, dass hier auch von der Firmenleitung die Unwahrheit gesagt wird. Dass der Betrieb in Gelsenkirchen Verluste macht, ist die Unwahrheit und offenbar auch, dass es keine Aufträge gäbe, ist nicht korrekt.

Es hat vor einigen Wochen eine große Demo in Friedrichshafen stattgefunden, an der sich auch Mitglieder unserer Fraktion beteiligt haben. Es waren Beschäftigte aller ZF Standorte vertreten, darunter mehrere Tausend aus Friedrichshafen selbst und ca. 120 Beschäftigte aus Gelsenkirchen haben sich an der Demo beteiligt, um für ihre Rechte zu kämpfen.

Wir halten die Firmenpolitik Zfs für einen Angriff auf Gelsenkirchen. Das sagen wir hier ganz deutlich.

Welchen Stellenwert und welche Wertschätzung man der Stadt und der Stadtgesellschaft einräumt, zeigt schon die Tatsache, dass niemand mit Entscheidungskompetenz hier sitzt und Rede und Antwort steht.

ZF möchte sich der gesellschaftlichen Verantwortung entziehen. Man schließt aus schlichtem Profitstreben den Standort und die gesellschaftlichen Folgen und Kosten soll die Gesamtgesellschaft bzw. die Solidargemeinschaft tragen. Das ist Teil eines unseriösen und nicht nachhaltigen Geschäftsmodells. Wenn Standorte geschlossen werden, sollten die gesamten Kosten die Anteilseigner tragen, speziell in einem Stiftungsunternehmen.

Geradezu verstörend sind folgende Ankündigungen:

Laut Handelsblatt nimmt das Unternehmen in den USA eine halbe Milliarde US-Dollar in die Hand, um mit massiven Investitionen den Ausbau des Standorts Gray Court im Staat South Carolina zu erweitern. Es geht um eine umfassende Modernisierung der Produktionskapazitäten, “für die nächste Generation der Antriebstechnologien für Pkw und Nutzfahrzeuge”, so der Wortlaut einer Pressemitteilung.

Und was fällt dem geneigten Leser hier auf? Am Standort South Carolina gelten die sogenannten „Right- to- work- Gesetze“, die faktisch Gewerkschaften massiv schwächen und Arbeitnehmerrechte aushöhlen.

Wie heißt es bei Tucholsky so treffend: „Kein Betriebsrat quatscht uns mehr rein, wir wollen freie Wirtschaftler sein.“

Man darf annehmen, dass solche Überlegungen mit eine Rolle gespielt haben, als es darum ging, welchen Standort man schließt und bei welchem man neu investiert.

Die Zeitung Merkur schreibt dazu:

„Entgegen dem Stellenabbau in Deutschland werden die Jobs in den Vereinigten Staaten aufgestockt: ZF Friedrichshafen plant den Angaben zufolge bis zu 400 neue Arbeitsplätze an der Betriebsstätte, die im Jahr 2013 eröffnet wurde.“ Der Wirtschaftskrieg ist in vollem Gange, meine Damen und Herren.

ZF plant 12000 Stellen in Deutschland zu streichen und der Konzern besitzt noch die Unverfrorenheit, darauf hinzuweisen, dass man voraussichtlich ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommen werde. Ein großer Teil der Beschäftigten wird vermutlich in die Rente geschickt, das heißt nichts anderes, als dass die Kosten der Maßnahme zum großen Teil auf die von Arbeitnehmern beitragsfinanzierte Rentenversicherung abgewälzt werden.

Abschließend möchten wir dem Betriebsrat versichern, dass sie unsere volle Unterstützung für Ihre Forderungen haben und unsere Solidarität.

Wir möchten übrigens noch einmal festhalten, dass unsere Vorhersage zutreffend war. Die „demokratischen Fraktionen“ wollen bei einer ZF Resolution unter sich sein. Deswegen vermutlich auch das verschämte Verstecken der Resolution unter Punkt 10 der TO.

Sollten Sie davon ausgehen, dass derartige parteipolitische Mätzchen bei der Gewerkschaft und den Beschäftigten gut ankommen, deren berufliche Existenz bedroht ist, so darf ich Ihnen versichern, dass das nicht der Fall ist.

Da es uns um die Sache geht, werden wir im Zweifel auch der Resolution der anderen Parteien zustimmen, sollte unsere Resolution abgelehnt werden, damit ein klares Signal von dieser Resolution ausgeht.

Ich danke Ihnen.