Haushaltsrede von Martin Gatzemeier

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste auf der Tribüne, liebe Zuseher,

 

das Haushaltsaufstellungsverfahren ist dieses Jahr geordneter abgelaufen als in den letzten Jahren, obwohl bei der endgültigen Beratung wieder auf die letzte Minute Änderungsanträge eingereicht wurden, auf die man sich nicht vorbereiten konnte.

Die Folgen der  Pandemie und des Ukrainekrieges werden auch in den nächsten Jahren den Haushalt belasten, da die Zinskosten für die verschobenen Millionen zu tragen sein werden. Da muss ich der Oberbürgermeisterin widersprechen, die in der Einbringungsrede von einem Ende der Krise gesprochen hat. Wir haben immer noch eine akute Krise, man schaue auf die Kriege in Europa und im Nahen Osten.

 

Die Stadtspitze spricht von Dekadenprojekten, die jetzt angegangen werden sollen, Stadtentwicklung, Bildung und Schulbau. Wo bleiben die Lösungen für die anstehenden Probleme bei den Ansprüchen auf Kindergartenplätze und verlässliche Betreuung in der OGS? Hier müssen weiterhin große Anstrengungen unternommen werden, um die gesetzlichen Vorgaben erfüllen zu können. Da wird zu wenig getan, auch mangels finanzieller Mittel.

 

Und da sind wir auch schon beim Geld.

 

Ohne eine auskömmliche Finanzierung der Kommunen durch Bund und Land wird das nichts mit einem ausgeglichenen Haushalt. Er wird auch in den nächsten Jahren nicht zu erreichen sein, wenn sich die Regierungsparteien in Bund und Land nicht endlich einigen. Der Bund wird sich jetzt auf die desolate Haushaltslage zurückziehen und die Frage der kommunalen Finanzen auf Eis legen. Hier muss noch mehr Druck von den Kommunalvertretern der in Verantwortung stehenden Parteien kommen. Diese Vertreter werden auch heute wieder den Schuldenhaushalt mittragen.

 

Bei Einbringung wurde das Minus auf knapp 37 Millionen geschätzt, jetzt liegt man schon bei 52 Millionen. Das wird nicht das Ende der Fahnenstange sein. Nicht seriös kalkulierbare Einnahmen aus der Gewerbesteuer sind ein großes Hindernis zu einem ausgeglichenen Haushalt.

Durch Schließungen von Betrieben durch Insolvenzen, Weggang ins Ausland und Aufgabe von Standorten werden sich weitere Löcher in den Gewerbesteuereinnahmen ergeben, die heute noch nicht abzusehen sind.

 

Weiter wird es zu niedrigeren Gewerbesteuereinnahmen kommen durch Produktionsausfälle auf Grund von fehlendem Material und vor allem durch die extrem gestiegenen Energiekosten werden auch in 2024 die Bilanzen der hiesigen Betriebe weiter belastet.

Eine Entlastung bei den Energiekosten der privaten Haushalte durch Steuergeld wurde gerade durch die Regierung zurückgefahren, für die Industrie hat sie es gar nicht eingeführt.

 

Wo dann die erhofften Steuereinnahmen für die Stadt herkommen sollen, weiss wohl nur die Kämmerei. Wie schon in den letzten Jahren dargelegt, denken viele Firmen über eine Verlagerung ihrer Produktion z.B. nach Übersee nach, was die amerikanische Regierung nach Kräften mit einer protektionistischen Subventionspolitik befördert. Fest steht jedenfalls, keine deutsche Firma - auch nicht hier in Gelsenkirchen -, die im internationalen Wettbewerb steht, wird es überstehen, dass sie dauerhaft 4-5fach höhere Energiepreise stemmen muss. Das ist selbstmörderisch und wird in  einer krassen Deindustrialisierung münden.  Eine Rezession, die schon jetzt von vielen Experten erwartet wird, wird voll auch auf Gelsenkirchener Unternehmen  durchschlagen.

Bei einem Durchschnittseinkommen von ca. 18000 € und einer extrem hohen Arbeitslosigkeit sind solche Aussichten katastrophal.

Auch folgendes hat sich im letzten Jahr nicht geändert:

Die Bundesregierung befördert eine Entkopplungsstrategie von der chinesischen Wirtschaft. Diese Art der Wirtschaftspolitik wird Gelsenkirchen mit voller Wucht treffen. Auch Gelsenkirchener Firmen treiben regen Handel mit China. Eine solche Entkopplungsstrategie wäre also eine vollständige Katastrophe.

 

Ein weiteres Problemfeld welches die Kommunen im kommenden Jahr weiterhin belasten wird ist die Tatsache dass es immer noch keine vollständige Übernahme der Flüchtlingskosten durch den Bund geben wird. Die letzthin vereinbarten Summen reichen niemals aus, um auch eine Integration der Flüchtlinge zu finanzieren.

Der Bund muss die Kosten für alle Flüchtlinge komplett übernehmen, bis sie entweder in ihr Land zurückkehren können oder sich in Deutschland dank guten berufliche Perspektiven selbst finanzieren können. Hierzu müssen Integrationsanstrengungen der Kommune und der betroffenen Menschen mit deutlich mehr Mitteln ausgestattet werden.

 

Man kann es nicht oft genug sagen:

Ein Ende des Krieges in der Ukraine ist nicht abzusehen, zumal es zu keinem ernsthaften diplomatischen Vorstoß der Regierung zu Waffenstillstandsverhandlungen gekommen ist.

Der Bund und das Land müssen hier endlich ihrer Verantwortung gerecht werden, vor allem wenn die Bundesregierung durch verfehlte Sanktionsmaßnahmen auch noch die eigene Bevölkerung belastet. Sozialverbände und Arbeitsloseninitiativen sehen den sozialen Frieden im Land gefährdet.

Ein Ende der Kriegshandlungen ist auch im Interesse der deutschen Wirtschaft und der deutschen Bürger. Auch in Gelsenkirchen haben viele Firmen langjährige Wirtschaftsbeziehungen zu Russland. Der 100% ige Wegfall dieses Geschäftes wird zu massiven Wirtschaftspleiten  nicht nur in Gelsenkirchen führen. In 2023 konnten noch einiges an Ausfällen kompensiert werden, aber die schlechte Konjunktur wird sich in 2024 verstärkt bemerkbar machen.

 

Und wieder hat sich an anderer Stelle nichts entscheidend verbessert:

Wenn der Stellenplan in der Allgemeinen Verwaltung für 2023 802 Stellen ausweist aber nur 736 zum 30.06. besetzt sind, wundert es keinen, wenn Bearbeitungszeiten  in der Verwaltung ewig dauern. Bearbeitungszeiten im Ausländeramt oder dem Versorgungsamt von über 12 Monaten sind ein Trauerspiel, nicht durchgeführte Baumaßnahmen kommen hinzu.

Durch nicht besetzte Stellen spart man zwar Geld, aber am falschen Ende. Die Anstrengungen  zur Besetzung der offenen Stellen müssen intensiviert werden auch durch verbesserte Konditionen für die Bewerber.

Ziel muss es sein, Gelsenkirchen  für Menschen attraktiver zu machen, die sich neue Aufgaben suchen wollen. Es bedarf  finanzieller Anreize, auch die Wohnungsbaupolitik  muss hier in den Blick genommen werden.

 

Wohin die Reise bei den Energiekosten geht, kann keiner voraussehen, zu befürchten ist allerdings, dass die hohen Preise im nächsten Jahr auf dem Niveau bleiben oder sich nur gering abschwächen, sogar möglich, dass sie vielleicht auch weiter steigen werden.

Die besonders Betroffenen sind wieder einmal die Armen dieser Stadt, weil das Geld für Strom und Heizung nicht reichen wird. Der aufgelegte Fond um Energiearmut zu bekämpfen wird hoffentlich ausreichen. Seit Jahren reichen die Transferleistungen nicht für das soziokulturelle Minimum, weswegen es die Tafeln gibt und jetzt, wo es seit über 25 Jahren bei armen Menschen nicht mehr für's Essen reicht, reicht das Geld auch nicht mehr für Strom und Heizung. Die geplante Erhöhung des Bürgergeldes, wenn diese denn kommt, gleicht nicht einmal die Inflation aus und ist faktisch eine Kürzung.

 

Sozialpolitik wird in Deutschland immer noch stiefmütterlich behandelt statt endlich wieder eine Vermögenssteuer einzuführen und die Erbschaftssteuer deutlich zu erhöhen. Lieber denkt man über eine Kürzung von Bürgergeld und Renten nach. Scheinbar sind einige der etablierten Parteien die Schlangen an den Tafeln noch nicht lang genug.

 

Aber in Rüstung investieren dass könne alle diese demokratischen Parteien. Und dies nicht zu knapp. Zu den 100 Milliarden Sonderschulden für die Aufrüstung der Bundeswehr kommen noch etliche Milliarden zusammen, um den Ukrainekrieg zu befeuern. War die Lieferung von Waffen in Kriegsgebiete nicht immer abgelehnt worden?

Das ausgegebene Geld für Waffen fehlt in den Sozialsystemen in ganz Deutschland.

Besonders für eine von Armut geplagte Stadt wie Gelsenkirchen ist das ein Desaster.

 

Auch die Gelsenkirchener Normalbürger zahlen über ihre Steuern für Hochrüstung, während sich die Reichen und Superreichen einen schlanken Fuß machen. Diese profitieren lieber von den Gewinnen ihrer Aktien, unter denen sich auch Rüstungsaktien befinden, deren Kurse durch die Decke gegangen sind.

Die Bürger Gelsenkirchens müssen die nächsten 50 Jahre die Folgen der verfehlten Politik bezahlen,  um die Folgen des Ukrainekrieges und die Coronafolgen abzufangen. Hochrüstung ist immer teuer und wird von den kleinen Leuten bezahlt.

 

Der Bundesfinanzminister jagt jeden Tag eine andere Sau durchs Dorf  mit Vorschlägen wo man kürzen oder streichen könnte. Weitere Kahlschläge in den Sozialhaushalten müssen in den nächsten Jahren befürchtet werden. Die geplante Kindergrundsicherung droht hinten runter zu fallen, dies wäre eine weitere schlechte Nachricht für die Kinder, die zu über 40% in Gelsenkirchen von Transferleistungen abhängig sind. Jeder Euro der gekürzt wird tut hier richtig weh. Letzte Meldungen besagen, dass es wohl eine Minimalversion der Kindergrundsicherung geben wird, wenn auch verspätet. Immerhin! In den nächsten Jahren muss es aber deutlich mehr Geld für diese Aufgabe geben.

 

Fazit: Nichts hat sich für die Kommunen im letzten Jahr gebessert und warum sollte es in 2024 anders laufen?

 

Die Linke lehnt den Haushalt in der vorgelegten Form ab.

 

 

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.

Martin Gatzemeier