Haushaltsrede von Martin Gatzemeier in der Ratssitzung am 26.11.2015

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung und Vertreter der Medien.

Vorweg gilt ein besonderer Dank der Kämmerei. Diese hat in den letzten Wochen etliche Mehrarbeit verrichten müssen, weil unter anderem einige Fraktionen sich nicht an Abgabetermine für Änderungen gehalten haben.

Nach den vorausgegangenen umfangreichen Haushaltsreden werde ich nun direkt auf den Haushaltsentwurf eingehen, damit ich noch den Rest ihrer Konzentration nutzen kann.

Es wird Sie wahrscheinlich nicht wundern, wenn ich hier für die Fraktion DIE LINKE ankündige, dass wir dem Haushaltssanierungsplan und der Haushaltssatzung für 2016 nicht zustimmen werden.

Wir werden dem Stellenplan zwar zustimmen, fordern aber den Verzicht von Befristungen. Die Probleme im Zusammenhang mit Zuwanderung und Flüchtlingen werden uns noch auf Jahre hinaus beschäftigen. Beim Thema Integration ist Kontinuität gefragt. Hier nur befristet Personal einzustellen, ist zu kurz gedacht.

Ein Blick in den Haushaltssanierungsplan reicht, um festzustellen, wer wieder belastet werden soll.

Die Grundsteuer, so wird es die Mehrheit hier sicher beschließen, wird um fast  25% angehoben. Eine derartig eklatante Erhöhung maßvoll zu nennen erscheint uns als die Untertreibung des Jahres. Für uns ist das Maß voll. Die Gelsenkirchener Hausbesitzer und Mieter werden sich auf starke Erhöhungen der Nebenkosten gefasst machen müssen.

Im Hinblick auf die Gewerbesteuer begrüßen wir, dass nun doch ein Gewerbesteuerprüfdienst eingerichtet werden soll. Endlich, kann ich da nur sagen, denn Die LINKE fordert dies seit Jahren. Wir begrüßen somit das Aufgreifen dieser Forderung durch die Verwaltung. Um Steuergerechtigkeit zu erreichen sollte die Gewerbesteuer in ähnlicher Höhe wie die Grundsteuer erhoben werden. Aber eine gerechte Verteilung der Lasten wird in diesem Rat scheinbar nicht sehr großgeschrieben.  Ein Rat, der ohne Zögern bei den  Kosten der Unterkunft spart, Unternehmensgewinne aber nur moderat besteuert, hat sich vom Gedanken an soziale Gerechtigkeit verabschiedet.

Ein weiterer Blick in die Zahlen zeigt, dass schöngefärbte Ergebnisprognosen der Beteiligungen eingesetzt wurden, nur um einen genehmigungsfähigen Haushalt zu erreichen. Woher sollen die hohen erwarteten Gewinne bei Stadtwerken und Sparkasse kommen? Gerade die Situation im Energie- und Bankensektor ist alles andere als rosig.

Gelsenkirchen befindet sich in einer dramatischen Haushaltssituation. Dies liegt zum einen an kapitalen Fehlentscheidungen in früheren Jahren, wie beispielsweise die grandiose Idee Kredite in Schweizer Franken aufzunehmen, Zockereien, welche uns heute bilanziell stark belasten,  Danke an Schwarz-Grün  , oder die bürgerfeindlichen Steuertricks mit Cross-Border-Geschäften, wiederum Danke an Schwarz-Grün, welche uns aktuell auch wieder viel Geld kosten, Geld, das an anderen Stellen dringend benötigt würde. Dass man schon damals weitsichtiger sein konnte, sieht man am Abstimmungsverhalten der damaligen PDS Fraktion, die sich nicht von neoliberalen Schwätzern, die nur ihre eigenen Profite im Auge hatten, blenden ließ. Übrigens stimmte damals auch die SPD dagegen, wenn auch vermutlich eher aus taktischen Gründen, um nicht mit Herrn Wittke stimmen zu müssen.

Zum anderen und vor allem aber, ist eine grundlegend falsche Politik auf Bundes- und Landesebene Schuld an der Haushaltsmisere.

In Europa profitierten unter dem Druck der Finanzmärkte, reiche „Investoren“ von staatlichen Rettungsmaßnahmen, „notleidende“ Banken wurden rausgekauft und die dafür nötigen Sparmaßnahmen auf dem Rücken der Einkommensschwachen und des Mittelstandes durchgesetzt.

Unter den Reichen und Wohlhabenden auch hier in GE hat sich der Eindruck verfestigt, man könne einen funktionierenden Staat haben, ohne dafür zahlen zu müssen. Aber dieses Konstrukt Bundesrepublik Deutschland braucht Steuern, um sich zu finanzieren,- um gute Straßen und Brücken, Krankenhäuser, Kindergärten und  Universitäten zu bauen und zu unterhalten.  Und dieser Staat braucht Einnahmen, um auch den Kommunen einen gerechten Anteil an diesen Steuern  überlassen zu können, damit gerade Kommunen, wie Gelsenkirchen, die einen dramatischen Strukturwandel mitgemacht haben, ihre immer umfangreicheren Aufgaben auch erfüllen können. Seit Jahrzehnten werden die Reichen der Bundesrepublik gepampert, ohne dass sich dies in positiven Zahlen niederschlagen würde. Die Investitionsquote ist auf einem historisch niedrigen Stand. In der Arbeitswelt nehmen Befristungen, Leiharbeit und Minijobs auch in GE zu, wie wir gerade dem Arbeitsmarktbericht entnehmen konnten. Das Normalarbeitsverhältnis ist auf dem Rückzug – eine Entwicklung, die mit Herrn Schröder begonnen hat, auf dessen Politik die SPD immer noch stolz ist. Immer mehr Menschen auch in GE können nicht mehr von ihrer Hände Arbeit leben. Das ist ein schlichter Skandal. Wir tun damit nichts anderes als Arbeitgeber, die gute Gewinne machen, zu subventionieren. Auch  in GE müssen Menschen trotz Arbeit Aufstockerleistungen in Anspruch nehmen, um leben zu können. Die Stadt kostet dies Unsummen.

Glaubt eigentlich irgendjemand hier in diesem Gremium, dass  Familien wie die Quandts, die Klattens, die Albrechts, die Wirtz`, die Schaefflers, die Deichmanns, und wie sie alle heißen, am Bettelstab gehen würden, wenn sie eine Millionärssteuer bezahlen müssten? Allein die Familie Quandt/ Klatten hatte ein geschätztes Vermögen von 31 Milliarden Euro in 2014. Laut Managermagazin vom 12.03.15 werden die Quandts allein in 2015 815 Millionen aus  BMW Dividenden erhalten.

Die gleichen Parteien, die hier in GE predigen, dass man sparen müsse, verhindern nicht nur – trotz exzellenter Haushaltslage! – seit Jahren ein gerechteres Steuersystem in Deutschland, das die Kommunen besser finanziert und kleine Einkommen entlastet, sondern behindern innerhalb Europas auch noch Vorstöße, endlich Steuervermeidung  und  Steuerbetrug oder, wie das heute im schönsten Neusprech heißt, kreative Steuergestaltung von Konzernen endlich wirksam zu unterbinden. Schätzungen zufolge verliert die EU jedes Jahr eine Billion durch Steuervermeidung und Steuerhinterziehung. Auch Deutschland verliert dadurch jährlich viel Geld, das dann natürlich später in Städten wie Gelsenkirchen fehlt. Denn den Letzten beißen die Hunde.

Als LINKE fordern wir die Entschuldung der Kommunen und eine vollständige Gegenfinanzierung der Folgekosten von Arbeitslosigkeit. Arbeitslosigkeit ist in diesen Dimensionen ein strukturelles Problem, nicht die  Folge persönlichen Versagens des einzelnen Arbeitslosen oder der Gemeinde. Nicht zu hohe Ausgaben sind das Problem, sondern zu niedrige Einnahmen. Wir brauchen ein sozial gerechtes Steuersystem. Gewerbesteuereinahmen müssen vollständig bei den Kommunen verbleiben.

Die Linksfraktion wird diesem Haushalt nicht zustimmen, tun Sie es uns gleich und lehnen auch Sie ab.

Martin Gatzemeier für DIE LINKE

Es gilt das gesprochene Wort