Offener Brief an Oberbürgermeister Baranowski in Sachen Nordsternpark

Tomas Grohé

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, 

vor wenigen Tagen hat der Verbandsausschuss des RVR – auch mit Ihrer Unterstützung – grünes Licht für die Bewerbung zur Internationalen Gartenbauausstellung (IGA) 2027 gegeben. Ich habe selbst auch dafür gestimmt, weil ich das für einen weiteren wichtigen Schritt bei der Profilierung der Region halte.

Im Rahmen dieser Gartenschau könnte und sollte der Nordsternpark eine prominente Rolle spielen. Dem stehen allerdings zwei aktuelle und problematische Entwicklungen entgegen, die seine Sonderstellungsmerkmale akut gefährden. Ich möchte Sie auf diese Gefahren rechtzeitig aufmerksam machen und zu deren Behebung einen Vorschlag unterbreiten

1. Das mit der Buga 97 geschaffene faszinierende Landschaftsbild, das alleine schon einen Ankerpunkt der Industriekultur darstellen könnte, droht verloren zu gehen
 
Seit Jahren beobachte ich nahezu täglich – nicht selten zweimal am Tag – die laufenden Pflegearbeiten der Nordsternpark Pflegegesellschaft. Ein Qualität sicherndes Konzept zur Erhaltung des Landschaftsbildes, wie es der Landschaftsarchitekt Wedig Pridik für die BUGA entworfen hatte, ist dabei kaum noch erkennbar. Dessen
Botschaft war, und das unterschied sie damals deutlich von anderen Wettbewerbsteilnehmern: Klar gegliederte Landschaft mit weiten Sichtachsen und graden linearen Strukturen in Anknüpfung an die und zur Sicherung der Spuren der vergangenen und an den verbliebenen Gebäuden (Zechenensemble und Kohlebunker nebst Förderbrücke) immer noch ablesbaren Zechennutzung.

Die Verantwortung dafür, dass heute Manches davon nicht mehr erkennbar ist, liegt sicher nicht bei den Kollegen, die geduldig die mühsame Kleinarbeit bei Wind und Wetter vor Ort erledigen, sondern ist denjenigen zuzuschreiben, die das Was, Wie, Wo und Wann der täglichen Einsätze planen.

Denn die aktuelle Realität sieht eher traurig aus – auch wenn vielen die Sauberkeit schon ausreicht, um den Park toll zu finden. Diese immer wieder herzustellen ist übrigens einer der Punkte, wo den Mitarbeitern ein uneingeschränktes dickes Lob und immer wieder Dank auszusprechen ist!
 
Aber ein Ankerpunkt der Industriekultur stellt sicher höhere Ansprüche an Park-Kultur. Schließlich fördert das Land dies mit ca. 400.000 € pro Jahr und man fragt sich unwillkürlich: was wird mit dem Geld gemacht?

Die sichtbaren Zeichen, mit anderen Worten die optische Botschaft, signalisieren eher: Hier kümmert sich jemand, aber er weiß wohl nicht so recht wie und wozu! Hierzu einige Beispiele
  

·      Die Pyramiden verbuschen und (sicher nicht einfach zu verhindernde) Trampelpfade quer zu den Hängen fördern die Erosion (seltsam dabei: der West-hang an der Zentralachse ist völlig frei von solchen wilden Begehungen);

·      angefangene und auch offensichtlich beendete Rodungen bleiben wochenlang eine chaotische Baustelle und sind es teilweise bis heute;

·      eigentlich freizuhaltende Sichtachsen sind längst zugewachsen;

·      überall wuchern Brombeerdschungel oder stehen vom Zahn der Zeit angenagte Zaunreste aus Bugazeiten sinnlos im Gebüsch oder am Kanalweg;

·      Wege querende Entwässerungsrinnen bleiben verschlammt und sind deshalb ohne Wirkung;

·      Rasenkanten werden glatt geschnitten und dabei immer wieder auch die wassergebundene Decke beschädigt – mit den beschriebenen Wirkungen;

·      die entsprechend beschädigten wassergebundenen Decken werden – wenn überhaupt – dann erst spät und nur notdürftig wieder geflickt: Das Ersatzmaterial wird nicht eingearbeitet, sondern nur aufgeschüttet und von Hand  festgeklopft. Beim nächsten Regen ist das dann oft gleich wieder weggespült;

·      Sichtbare, durch Regenwasser hervorgerufene Erosionsrinnen an anderen Stellen werden ebenso behandelt und tauchen ebenso immer wieder auf, statt dass sach- und fachgerecht einfache aber funktionierende Abwasserrinnen an den richtigen Stellen gebaut werden;

  • die geplagten Mitarbeiter müssen sich gebückt knietief in den Rosenbeeten abquälen, um Wildkräuter zu entfernen, die eigentlich keinen stören (außer natürlich Rosenfans).

Das ist schon viel. Ich weiß. Aber es gibt noch ein weiteres Dauerärgernis:

Der Biergarten ist ständig geschlossen und das Amphitheater nur drei- oder viermal im Jahr bespielt (angeblich wegen nicht genehmigungsfähiger Lärmbelästigungen der Umgebung). Wenn das Theater schon als Highlight (Stichwort Extraschicht, Route der Industriekultur, Kulturkanal) gefeiert wird, dann sollte dort auch Kultur erlebbar werden. Und es gibt in der Region hunderte von Jugendbands, Theatergruppen usw.  die sich freuen würden, mal irgendwo vor Publikum auftreten zu können: Das sollte doch zumindest auf der kleinen Bühne im Biergarten möglich gemacht werden können – auch an Wochenenden und der Ordnung halber eben nur bis 22.00 Uhr! Und wenn das schon nicht geht, sollte doch zumindest mehr versucht werden, für die Sommersaison einen Betreiber zu finden, der den Biergarten – wenn auch auf kleiner Flamme – betreibt. Z. B. unter Verzicht auf eine feste Pacht und stattdessen mit angemessener Umsatzbeteiligung. Die Pommesbude am Inselparkplatz ist jedenfalls nach meiner letztjährigen Erfahrung meist ganz gut akzeptiert…

2. Große Sorgen muss man sich m.E. im Hinblick auf den Kohlebunker im Nordsternpark machen. Anlass dieser Beobachtung ist eine kürzliche Antwort der Verwaltung auf die Anfrage des BV Herrn Gerlach zur Perspektive der Kohlebunker samt Bandbrücke und Mischanlage im Nordsternpark (Drucksache 14-20/2487 vom 12.2.2016). Die Oberflächlichkeit und Pauschalität dieser Antwort hat mich als ehemaligen Mitarbeiter der IBA Emscher Park sehr enttäuscht und beunruhigt, weil sie nicht gerade von gedanklicher Verbundenheit mit diesem sicher nicht einfachen Objekt zeugt. Die lässige Diktion scheint eher ausdrücken zu wollen:  Wir haben keine Lust, uns darum zu kümmern …

Mir ist bisher keine einzige ernsthafte Überlegung zu einer künftigen Nutzung dieses imposanten Ensembles bekannt – geschweige denn so etwas wie eine Machbarkeitsstudie. Im Gegenteil: Bemühungen, Architekturstudenten der Hochschule Köln im Rahmen einer Semesterarbeit einmal über mögliche Nachnutzungen nachdenken zu lassen, wurden verunmöglicht, indem Planunterlagen zu den Gebäuden nicht zur Verfügung gestellt wurden. Das ist jetzt einige Jahre her.

Und getan hat sich bisher öffentlich wahrnehmbar nichts – außer dass die Außentreppe verschlossen ist, seit die Solaranlage vom Dach (nach einem teilweisen Diebstahl) komplett entfernt wurde.

Der Kohlebunker als – neben dem Gasometer Oberhausen – sicher höchste Aussichtspunkt im neuen Emschertal darf nicht dem langsamen Verfall übereignet werden; im Gegenteil verdient er es, auch mit Blick auf die IGA 27 aus seinem Dornröschenschlaf geweckt zu werden: Vielleicht ist da dann doch ein Wettbewerb unter Studierenden (Architektur, Bauingenieure) eine finanzierbare Möglichkeit, verschiedene Varianten einer sinnvollen (touristischen) Weiternutzung durchdenken und gestalten zu lassen.

Bei Vorliegen einer überzeugenden Lösung sollte dann die alte Verfahrenskreativität (IBA Emscher Park) beim Auftreiben von Fördermitteln reaktiviert werden (beim RVR gibt es jetzt ja sogar professionelle Hilfe dazu), um diese Idee bis 2027 umzusetzen und den internationalen Gästen der IGA einen absoluten Höhepunkt im neuen Emschertal anbieten zu können.

Eine Minimallösung aber müsste doch auf jeden Fall sogar schon früher machbar sein: Diesen Hochpunkt wieder zugänglich zu machen und zwar so, wie das am Hochofen 5 im Landschaftspark DU-Nord geregelt ist: Tag und Nacht offen, natürlich auf eigene Gefahr und ohne jede Haftung

Ich möchte daher die Durchführung eines Ortstermins mit Fachleuten und zuständigen Ortspolitikern vorschlagen mit dem Ziel, sich sachkundig zu machen und dann einen Runden Tisch Nordsternpark zu initiieren, Der sollte über ein Pflegekonzept diskutieren und die weiteren Schritte beraten und entsprechenden Beschlüsse vorbereiten.

Gelsenkirchen hat in den letzten Jahren, angestoßen durch aufmerksame Bürger, vom Verschwinden bedrohte lokale Schätze erst im letzten Moment gerettet (Schloss Horst, Hans-Sachs-Haus). Beim Nordsternpark sollten wir nicht so lange warten.