Rede gegen eine Zuständigkeits- und Aufgabenverlagerung des PK 25 aus dem SGB II in s SGB III

DIE LINKE. hat sich der Resolution gegen die Aufgabenverlagerung der Personengruppe U25 von den Jobcentern (SGB II) zur Agentur für Arbeit (SBG III) ausgesprochen und klare Worte gefunden. Arbeitsminister Heil und die Ampelregierung können nicht weiter zu Kosten der Kommunen und der finanziell Schwächsten agieren.

Frau Oberbürgermeisterin, meine Damen und Herren,

 

zunächst einmal möchten wir feststellen, dass wir dieser Resolution zustimmen werden.

 

Wie wir bereits im Ausschuss für Arbeit und Soziales ausgeführt haben, waren wir völlig entsetzt über diese geplante Aufgaben und Zuständigkeitsverlagerung, die hier angedacht ist. Sie ist für uns -  um das ganz klar zu sagen - ein weiteres Beispiel der völligen Inkompetenz und Bürgerferne der derzeitigen Regierung. Dass ein derartiger übler Taschenspielertrick angewandt wird, um nach außen  Zahlen zu schönen ist wirklich ungeheuerlich. Zumal wir es hier mit keiner wirklichen Sparmaßnahme zu tun haben, sondern hier geht es schlicht darum, die Finanzierung, die vorher aus Steuermitteln gestemmt wurde, und somit von der Gesamtgesellschaft getragen wurde, in die  Beitragsfinanzierung zu verschieben.  Somit werden ab jetzt hauptsächlich Arbeitnehmer  die Finanzierung übernehmen und somit wird diese Kasse weiterhin zum Schaden der Beschäftigten geschwächt.

 

Diese Maßnahme steht in der unguten Tradition der Verschiebung von Zahlenkolonnen

zwischen Steuer- und Beitragstöpfen in den 1990er Jahren. Volkswirtschaftlich war dies letztendlich immer mit massiven  Schäden bei den  Sozialversicherungen verknüpft. Diese Ausplünderungen waren immer auch  mit nachfolgenden Sparappellen verbunden und zwar von den gleichen Playern, die vorher die Beitragskassen  geplündert hatten. In dieser herzallerliebsten Tradition steht die jetzige Planung. Hier geht es aber nicht nur um dreistes Zahlenfälschen, sondern um das Schicksal von jungen Menschen, deren Zukunftsaussichten mit diesen Planungen massiv geschädigt werden.

Diese angedachte Veränderung bricht mit einem wichtigen Grundsatz des Sozialstaates, dass Leistungen aus einer Hand zu erbringen sein sollen, wo dies möglich ist. Die von Finanzminister Lindner geforderten Budgetkürzungen sollten nicht auf dem Rücken von jungen Erwachsenen ausgetragen werden, deren Aussichten momentan eh nicht rosig sind. Die herbeiphantasierten Einsparungen für 2025 immerhin 900000€ sind natürlich reine Luftbuchungen, weil dieses völlig undurchdachte  Handeln massive Schäden anrichten wird. Die arbeitsmarktliche Förderung von jugendlichen Bürgergeldempfängern unter 25 Jahren soll ab dem Jahr 2025 von den heute dafür zuständigen Jobcentern (die aus Steuermittel finanziert werden müssen) in die Agenturen für Arbeit der Bundesagentur für Arbeit verlegt werden(die als Arbeitslosenversicherung aus Beitragsmittel der beitragspflichtigen Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanziert wird).

 

Die ohnehin jetzt schon prekäre Lage der Jobcenter wird damit noch weiter destabilisiert.

Wir reden hier über eine wirklich große Personengruppe, die von diesen Änderungen betroffen wäre in der gesamten Bundesrepublik geht es um 700000 Menschen in Gelsenkirchen um ca.7100.

Das Bundesnetzwerk Jobcenter hat sich aus diesem Grunde am 5. Juli 2023 mit einer extrem kritischen Stellungnahme zu Wort gemeldet und spricht  von einem „radikalen Systemwechsel“, der „weitreichende gesellschaftliche, organisatorische und personelle Folgen haben“ werde.

»Die Herausnahme des Personenkreises der Jugendlichen aus dem SGB II durchbricht die absolut sinnvolle ganzheitliche Betreuung der Bedarfsgemeinschaften und der Familien durch die Jobcenter vor Ort, die gerade mit dem Bürgergeldgesetz erst erfolgte Akzentuierung des Beratungs- und Betreuungsauftrages der Jobcenter und nicht zuletzt die auf die Jugendlichen zugeschnittenen Instrumente, wie zum Beispiel § 16h SGB II (Förderung schwer zu erreichende junger Menschen) und § 16k SGB II (ganzheitliche Betreuung). Dies gilt insbesondere für besondere Personengruppen unter den Jugendlichen mit spezifischem Beratungsbedarf, wie beispielsweise zugewanderte junge Menschen, Schulabbrecher, Wohnungslose etc.«

 

»Darüber hinaus werden die vielfältigen flächendeckenden ganzheitlichen Beratungsstrukturen in den Jugendberufsagenturen sowie die vor Ort bestehenden Kooperationsformen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit massiv gefährdet. Die Jobcenter sind in vielfältiger Art und Weise regional eng vernetzt. Insbesondere die Verzahnung der kommunalen sozialintegrativen Eingliederungsleistungen wie die Schuldner - und Suchtberatung mit den arbeitsmarktpolitischen Eingliederungsleistungen sind ein sehr wichtiger Erfolgsfaktor in der Integrationsarbeit mit den jungen Menschen.«

Zwei Tage später haben sich die Personalräte der Jobcenter mit einer noch schärferen Positionierung, der wir uns als LINKE nur anschließen können, zu Wort gemeldet. Dort heißt es:

 

»Wirklich arbeitsmarkt- und sozialpolitisch Sinn macht dieser rein haushaltspolitisch motivierte Taschenspielertrick nicht.“

Man fragt sich, ob den in Berlin Handelnden wirklich klar ist, wie vielfältig die Probleme dieser jungen Menschen sind. Es geht hier nicht um schnöde Arbeitsvermittlung. Wir reden hier von Suchtproblemen, schwierigen familiären Verhältnissen, psychischen Problemen mit denen die Vermittler hier konfrontiert sind. Hier haben sich Strukturen gebildet und Kompetenzen aufgebaut, um den Problemen Herr zu werden. Von all dem scheint man in Berlin am grünen Tisch noch nie etwas gehört zu haben.

Die Bundesagentur für Arbeit verfügt hingegen nicht über die entsprechende Kompetenz und die nötige Vernetzung,- die  Strukturen sind schlicht nicht vorhanden.

Die jetzige Planung würde zu einem krassen Kompetenzverlust führen, die Beratung der jungen Menschen würde sich drastisch verschlechtern.

Abgesehen davon bedeutet die geplante Änderung eine  zusätzliche psychische und bürokratische Belastung, während sich gleichzeitig die Qualität verschlechtert. Das Bürgergeld sollte hier gerade, abgesehen von seinem finanziellen Papiertigertum  eine Verbesserung bewirken. Stärkung der Ausbildung und Weiterbildung, Wegfall des Vermittlungsvorrangs, Kooperationsplan, Aufwertung der Sozialberatung, ganzheitliche Betreuung und Coaching, etc.

Statt einer bürokratischen Vereinfachung kommt es zu einem noch schlimmeren Bürokratiemonster, dass die Betroffenen, die Jugendlichen und ihre Eltern, einspinnen würde in ein geradezu kafkaeskes Netz aus unterschiedlichen Zuständigkeiten. Es wäre denkbar, dass es Leistungen der Kindergrundsicherungsstelle, durch das Jobcenter, der Jugendämter und der Wohngeldstellen geben könnte und mittendrin die Jugendlichen und ihre Familien. Der bürokratische Wahnsinn in Reinkultur zusätzliche Kosten und zeitlicher Aufwand inklusive.

Des Weiteren - und das wäre die nächste Baustelle - ist überhaupt noch nicht klar, was mit den Beschäftigten in den Jobcentern passiert, die bisher die Betreuung gestemmt haben. Bei einem möglicherweise nötigen Wechsel des Personals zur Bundesagentur wäre der nächste Moloch an Problemen eröffnet, besonders für kommunale Beschäftigte. Eventuelle benötigtes zusätzliches Personal dürfte angesichts des viel beklagten Fachkräftemangels auch nicht schnell zu beschaffen sein, erst recht nicht in der benötigten Qualität.

Aus einem buchhalterischen Schnellschuss wird ein gesellschaftspolitischer unausgegorener Supergau.

 Die Zukunft dieser jungen Menschen positiv zu beeinflussen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, genau deshalb sollte sie auch weiterhin von allen, sprich aus Steuermitteln bezahlt werden. Eine Änderung, wie sie jetzt angedacht ist, ist vollständig verantwortungslos und spricht der sich verschärfenden Armut und Perspektivlosigkeit gerade dieser jungen Menschen Hohn.

Wir schließen uns daher der Resolution vollumfänglich an und hoffen auf ein Einlenken der Ampel zum Wohle der jungen Menschen in Gelsenkirchen und im Bund.

Danke!

Bettina Angela Peipe