Rede von Bettina Peipe in der Ratssitzung vom 15.02.24 zur Trierer Erklärung

Frau Oberbürgermeisterin, meine Damen und Herren,

wir werden dem hier vorliegenden Antrag nicht zustimmen, sondern uns enthalten.

Unsere Solidarität gilt allen Menschen, die diskriminiert, entrechtet, von Abschiebung bedroht und ausgebeutet werden, gleich welcher Nationalität sie sind.

Die Trierer Erklärung ist jedoch allzu wohlfeil und passt damit genau in das Selbstbild, das auch hier in Gelsenkirchen während der Demo gegen rechts an den Tag gelegt wurde. Sie soll ein Freibrief sein, ein Feigenblatt

Man bekenne sich zu Demokratie und Menschenwürde, heißt es dort. Wo ist dieses Bekenntnis in Bezug auf Gaza. Deutschland tut weiterhin nichts, um dieses Sterben zu verhindern. Wo ist es in Bezug auf Julian Assange?

Man will die Spaltung der Gesellschaft aufheben, lesen wir. Wo sehen wir das? Zwei Millionen Menschen müssen mittlerweile zu den Tafeln, weil ihre Transferleistungen nicht einmal mehr für das Lebensnotwendigste reichen, während die 200 reichsten Deutschen mittlerweile 1400 Milliarden € Vermögen angehäuft haben und weiterhin keine Vermögenssteuer bezahlen.

Die unsozialsten und unsolidarischsten Steuern, die Verbrauchssteuern steigen, was hauptsächlich die Armen trifft.

Über 40% der Rentner haben eine Rente unter 1200,-€, während grüne Politiker etwas zusammenfantasieren von Durchschnittsrenten von 2000,- €. Da fragt man sich in welchem Paralleluniversum diese Leute leben.

Unterschiedliche Meinungen müssten ausgehalten werden, schalmeit es mir aus der Erklärung entgegen, aber immer stärker umsichgreifende Zensur-Gesetze sind Realität in Deutschland und der EU, die das mehr und mehr verhindern. Die übelsten Treiber in dieser Hinsicht, Frau Faeser, SPD, Frau Paus, Bündnis 90/ Die Grünen und Frau von der Leyen, CDU.

Frau Faeser schraubt an neuen Möglichkeiten eine Überwachung durch den Verfassungsschutz, den Inlandsgeheimdienst, zu ermöglichen. Der Tatbestand nennt sich „Delegitimierung des Staates“. Was das ist, bestimmt demnach Frau Faeser und die Regierung. Ein hübscher und deshalb brauchbarer Gummibegriff.

Zwischen 44% und 67% der Deutschen glauben, dass man seine Meinung nicht mehr frei äußern kann. Das sind Zahlen von 2023 unter anderem aus dem Deutschlandtrend.

Man nehme nicht hin, dass eine Atmosphäre der Verunsicherung, der Angst und des Hasses geschürt werde, heißt es wohltönend in der Erklärung. Was tut Kanzler Scholz gerade, wenn er fordert: „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben.“ Wenn gerade im Bundestag in zweiter und dritter Beratung ein Rückführungsverbesserungsgesetz debattiert wurde. Frau Faeser sprach gar von einer „Rückführungsoffensive“, damit man schneller und effektiver abschieben könne. Sie forderte schon im August die Abschiebung von Mitgliedern von Clan- Familien, die nicht straffällig geworden sind. Ich wage zu bezweifeln, das das die Verunsicherung schmälert. Was Palästinensern drohen könnte, muss ich hier wohl nicht näher ausführen.

Die Trierer Erklärung will angeblich nicht akzeptieren, dass der Kern unserer Verfassung angetastet wird. Warum höre ich dann vom Städtetag und von den sonstigen Demokraten nichts zu unsäglichen Äußerungen von solchen Politikerexemplaren, wie Roderich Kiesewetter von der CDU, der „den Krieg nach Russland tragen“ will, warum höre ich nichts zu unserer angeblich so werteorientierten Außenministerin, die sich gleich in einem „Krieg mit Russland“ wähnt. Warum höre ich nichts zu Politikern, die sich als Rüstungslobbyisten aufspielen, wie Frau Strack-Zimmermann, FDP, die ihren Antislawismus kübelweise in deutschen Talkshows abladen darf und das in einem öffentlich-rechtlichen Medium, das auch dem Frieden verpflichtet sein sollte.

Frau Barley, ebenfalls SPD schwadroniert derweil im Europa-Parlament über die mögliche Notwendigkeit europäischer Atomwaffen. Herr Pistorius, SPD will Deutschland kriegstüchtig machen. Und immer mehr sogenannte Experten aus rechten Think Tanks fordern, neben Leuten wie Öttinger, CSU, auf Kriegswirtschaft umzustellen und Friedrich Merz salbaderte schon im März 2022 davon, dass er eine direkte Verwicklung der NATO im Ukraine-Krieg nicht mehr ausschließe, was nichts anderes bedeuten würde, als den Dritten Weltkrieg.

All das berührt den Wesenskern des Grundgesetzes, und zwar schon ziemlich lange. Denn es gibt ein Friedensgebot des Grundgesetzes und im Übrigen auch der Vereinten Nationen.

Die Rüstungsausgaben explodieren und werden die letzten Reste des Sozialstaates hinwegfegen. Wo sind denn da die Oberdemokraten, die sich für die Weiterexistenz des Art. 20 des Grundgesetzes ins Zeug legen, der Deutschland zu einem Sozialstaat erklärt und dieser Artikel mit einer Ewigkeitsgarantie versehen ist.

Wo sind diese Menschen, wenn es gilt Schulen und Universitäten endlich auskömmlich auszustatten. Deutschland liegt auf Platz vier aller europäischen Länder, wenn es um die Quote der Schulabbrecher geht. Vor uns liegen nur noch Rumänien, Spanien und Ungarn.

Warum werden die Demos gegen rechts zum Teil von denselben Medien und Personen hochgejazzt und bejubelt, die die Teilnehmer der Friedensdemonstration am 25. Februar 2023 in Berlin als „Lumpenpazifisten“, „Friedenshetzer“, „Friedensschwurbler“, „Secondhand-Kriegsverbrecher“ oder Unterwerfungspazifisten beschimpfen durften. Von den seriösen Corona-Demos will ich gar nicht sprechen.

Solche Erklärungen, wie diese, tun niemandem weh, das ist wie mit den Demos gegen rechts. Ich würde mir wirklich wünschen, die Deutschen hätten aus ihrer Vergangenheit gelernt, aber angesichts des dröhnenden Schweigens zu Kriegspropaganda, massiver Aufrüstung, zum Krieg in der Ukraine, dem Leiden in Gaza muss man wohl konstatieren, das haben sie nicht. Die Demos sind, genau wie diese Trierer Erklärung, das berühmte Pfeifen im Walde. Es sind Selbstversicherungen, die, Zitat „die Angst vor dem eigenen inneren Monster nehmen“ sollen, wie die jüdische Schriftstellerin Deborah Feldmann es formulierte.

Aber Hauptsache ist, es sieht gut aus. Demokrat sein, meine Damen und Herren, wenn es nichts kostet, ist immer sehr einfach. Ich habe auf der Demo, außer meinem eigenen, kein einziges regierungskritisches Plakat gesehen.

Wir sind „die Guten“, „die Anständigen“ schallte es vom Podium herab und wird mit groupiehaftem Selbstbeweihräucherungsklatschen quittiert und überhaupt wie hieß das mal bei Nina Hagen „ist alles so schön bunt hier“.

Wie auch auf der Demo gegen rechts finde ich in dieser Trierer Erklärung nichts, aber wirklich gar nichts zu den Ursachen, wie es soweit kommen konnte, dass die Rechten so stark geworden sind. Die seit 30 Jahren betriebene miserable Politik der selbsternannten Demokraten treibt diesen Leuten die Wähler zu. Das ist der Humus auf dem diese rechten Parteien gedeihen. Solange die Demonstranten und die Unterstützer dieser Erklärung den Zusammenhang zwischen Armut und Rechtsentwicklung leugnen, solange werden rechte Kräfte in Deutschland erstarken.

Glauben Sie mir, sich gegenseitig zu versichern, wie lieb Sie sich alle haben, wird ihnen nicht helfen, diese Leute zu stoppen. Da hilft nur eine schonungslose politische Analyse, aber die sehe ich nirgendwo bei unseren Demokraten. Und auch die Trierer Erklärung bleibt hübsch im Ungefähren und ist damit so nichtssagend und windelweich, wie sie nur sein könnte.

Weiß der Himmel, aus Trier kam schon mal erheblich Besseres!

Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!

Danke.

Bettina Angela Peipe

DIE LINKE