Rede zur Resolution für Frieden im Nahostkonflikt

Die Rede unserer Ratsfrau Bettina Peipe auf der Ratssitzung am 7.12.

Frau Oberbürgermeisterin,

meine Damen und Herren,

 

am 7. Oktober verübte die Hamas ein Massaker an über 1200 israelischen Bürgern und nahm ca. 250 Israelis als Geiseln. In dem darauffolgenden Gegenschlag des israelischen Militärs wurden bisher über 14.000 palästinensische Zivilisten getötet, davon über 5.500 Kinder.

 

Ziel deutscher Politik müsste es sein, das Blutvergießen so schnell wie möglich zu beenden, stattdessen erleben wir einmal mehr ein völliges Versagen deutscher Diplomatie, was auf immer mehr Unverständnis im globalen Süden und im arabischen Raum stößt.

 

Aber nicht nur in diesen Kreisen löst die deutsche Haltung Unverständnis aus: Immer mehr jüdische und israelisch-palästinensische Friedensorganisationen lehnen diese Haltung ab. Besonders in Amerika wächst die Zahl jüdischer Menschen, auch aus Holocaust- Überlebenden- Familien, die sich gegen den Krieg in Gaza stellen. Mit Aktionen unter dem Titel; Not in our name! gab es große Demonstrationen mit zehntausenden von Teilnehmern und eine Blockade der Grand Central Station in New York.

 

Die kritischen Stimmen, die auch in die tausende gehen, wie die von Naomi Klein, Deborah Feldman, Moshe Zuckerman, Gideon Levy, Amira Hass und Moshe Zimmermann werden immer vernehmbarer. Unterdessen lehnt die deutsche Regierung einen Waffenstillstand weiterhin ab und das Sterben der Zivilisten auf beiden Seiten, die nichts mit der Gewalt am 07.10.2023 zu tun hatten, geht weiter.

 

Wer also weiterhin einen Waffenstillstand ablehnt, suggeriert zwar, dass er damit im Interesse Israels handelt. In Wahrheit unterstützt er damit nur die ultrarechte israelische Regierung. Für die vielen Israelis, die sich Frieden und Sicherheit wünschen, spricht er nicht, - im Gegenteil er lässt diese Menschen im Stich.

 

Noy Katsmann, dessen Bruder, der israelische Friedensaktivist Haim Katsman, am 7.Oktober 2023 von der Hamas umgebracht wurde, erläutert seine Haltung so:

„Das Wichtigste für mich und auch für meinen Bruder wäre, dass sein Tod nicht als Rechtfertigung für die Tötung unschuldiger Palästinenser genutzt wird. Das Töten von Palästinensern wird keine Sicherheit bringen.“ Deutschland, meine Damen und Herren, wird sich also entscheiden müssen, ob es die demokratischen Kräfte in Israel unterstützen möchte oder diese Regierung.

 

Die Sicherheit von Israelis und Palästinensern kann nur gemeinsam gedacht werden. Jede Bombe auf Gaza, jeder weitere Tote wird eine neue Generation der Hamas hervorbringen. Gewalt gebiert Gewalt! Entscheidend wäre nun, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Eine militärische Lösung in diesem Konflikt kann es nicht geben. Jeder weitere Kriegstag wird die Kräfte schwächen, die sich für Frieden und Verständigung einsetzen.

 

Was uns offengestanden fassungslos macht, ist die völlige Empathielosigkeit gegenüber den palästinensischen Opfern. 80% aller Bewohner des Gazastreifens befinden sich auf der Flucht, ein Großteil der zivilen Infrastruktur ist auf Jahrzehnte zerstört.

 

Avril Benoît von Ärzte ohne Grenzen beschreibt unsägliche Zustände. Kinder, deren Haut zu 50% verbrannt ist, können mangels Medikamenten nicht adäquat medizinisch versorgt werden. Operationen müssen teilweise ohne Betäubung stattfinden, als wären wir wieder im Mittelalter angekommen.

Die WHO befürchtet, dass ausbrechende Seuchen noch mehr Tote zeitigen könnten, als die Bombardierungen selbst.

 

„Gaza ist ein Friedhof für Kinder geworden“, sagte Unicef-Sprecher James Elder. Dieser Einschätzung schloss sich auch der UN- Generalsekretär Antonio Guterres an, dessen Rede beim UN- Sicherheitsrat, vor ca. einem Monat man nur voll und ganz unterstützen kann.

 

Wir reden bei den israelischen Toten und bei den palästinensischen Opfern von Menschenleben, die ausgelöscht werden. Wir reden von der Trauer und Verzweiflung  der Hinterbliebenen, von Eltern, die ihre Kinder verlieren, von Kindern, die den Tod von Geschwistern verkraften müssen, von Kindern, die durch Tod, Gewalt, Bomben und Hunger traumatisiert werden, die -genau wie die israelischen Opfer- mit Verstümmelungen werden leben müssen.

 

Diese Erfahrungen werden ihr ganzes zukünftiges Leben überschatten. Wir reden hier nicht von Zahlenkolonnen in einem Frontbericht, wir reden von Menschen, die auch jetzt in diesem Moment sterben- auf beiden Seiten.

 

Die, nach dem menschenverachtenden Überfall der Hamas, verständliche Wut und der Wunsch nach Rache müssen der Vernunft weichen. Wer Rache will - muss einer japanischen Weisheit gemäß - zwei Gräber ausheben. Und genau an diesem Punkt befinden wir uns.

Die Politik der israelischen Regierung und die kritiklose Unterstützung dieser rechtsnationalen Regierung durch die deutsche Regierung schaffen keine Sicherheit, sie bringen jüdische Menschen, Israelis und den Staat Israel noch weiter in Gefahr.

 

Deborah Feldman kritisierte in einem Interview mit der Welt diese deutsche Haltung und sieht hier auch psychologische Motive am Werk: „In Deutschland dient die uneingeschränkte Solidarität mit Israel als ein Freispruch vom Vorwurf des Antisemitismus.“ „ Die Solidarität mit Israel, die deutsche Staatsräson, sind also ein Selbstschutz. Sie hat narzisstische Motive.“ „Die Staatsräson soll den Deutschen ihre Angst vor dem eigenen inneren Monster nehmen. Aber sie ist gleichbedeutend mit der Bereitschaft, gegenüber Israel blind zu sein.“

 

Genau diese deutsche Haltung bringt Israel in Gefahr und drängt die demokratischen Kräfte in Israel in die Defensive, anstatt sie zu stärken. Und um es noch einmal ganz klar zu sagen, nichts, nichts wird die deutsche Schuld gegenüber jüdischen Menschen jemals tilgen. Sie bleibt eine ewige Verpflichtung, denn die Täter kamen aus unserem Land.

Um so fataler ist es deswegen, wenn zwei jüdische Autoren Moshe Zimmermann und Moshe Zuckermann  am Ende ihres neuen Buches konstatieren müssen :

Die jetzigen deutsch-israelischen Beziehungen zeigen jedenfalls, dass etwas mit den Lehren aus der Geschichte schiefläuft.“

 

Die militärische Logik muss ein für alle Mal beendet werden. Kriege lösen keine Konflikte, sie schaffen neue. Kriege sind Teil des Problems, nicht der Lösung.

Weder kann Krieg für Sicherheit sorgen noch Terror für Befreiung. Notwendig ist eine Friedenslösung auf der Grundlage des Existenzrechts beider Nationen. Deshalb fordern wir einen gerechten Frieden, die friedliche Koexistenz der beiden Völker unter einer Zweistaatenlösung.

 

Die Bundesregierung fordern wir auf, bei allen Konfliktparteien auf die Einhaltung des Völkerrechts zu dringen, Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten zu ächten und in den Dialog für den Frieden und einer Zweistaatenlösung in friedlicher Koexistenz einzutreten.

 

Mit großer Sorge betrachten wir den ansteigenden Antisemitismus in Deutschland. Wir stellen uns als gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Stadtgesellschaft geschlossen gegen diese Entwicklung. Gleichzeitig wehren wir uns gegen pauschale Vorurteile und Diskriminierungen gegenüber Musliminnen und Muslimen.

 

Das oberste Ziel deutscher Diplomatie muss lauten:

Frieden und die Wahrung der Menschenrechte im Rahmen des Völkerrechts.

Dies fordern wir von der deutschen Regierung  ein! 

 

Frieden ist das höchste Gut der Menschheit, nur im Frieden kann Zivilisation gedeihen und jeder Krieg ist eine Bankrotterklärung der menschlichen Vernunft, vor der Barbarei.

 

Ich könnte es auch mit Willi Brandt ausdrücken: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts!“

 

Danke!

 

Bettina Angela Peipe, Fraktion Die Linke